Dies ist das letzte Heft der
Weißenseer Blätter, das in Druck geht. Darin muß noch einmal der Dank an
alle unsere Freunde, Autoren, Spender und Leser an erster Stelle stehen!.
Daß die WBl so lange ohne jegliche Subventionen und dennoch für alle
Interessenten gratis erscheinen konnten, war allein ihrer Treue und
Freigiebigkeit zu verdanken! Nicht fehlen darf aber auch der Dank an all
diejenigen, die mit lästigen technischen Hilfeleistungen das Erscheinen der
WBl ermöglicht haben, zum Beispiel dadurch, daß sie mir den Umgang mit dem
Computer, soweit ich dazu lernfähig genug war, beigebracht haben.
Wie vielen unserer Leser fällt
auch uns der Abschied von den Weißenseer Blättern nicht leicht. Aber
wir haben in den fünfundzwanzig Jahren, in denen sie Kirchen- und
Weltgeschichte begleitet haben, oft den Prediger Salomonis zitiert: „Ein
jegliches hat seine Zeit“. Nun, denken wir, läuft die Zeit der Weißenseer
Blätter ab. Denn - das ist der entscheidende Grund, die WBl
einzustellen -, um den revolutionären Prozeß in Europa wieder aufzunehmen,
bedarf es neuer Generationen, neuer Ideen, eines neuen Stils (und vielleicht
auch neuer „Weißenseer Blätter“), damit
die epochale Aufgabe der Umwälzung vom Kapitalismus/ Imperialismus zum
Sozialismus/Kommunismus in einem neuen Anlauf und in neuer Weise gelöst
werden kann. Dabei allerdings heißt „neu“ keineswegs etwa
opportunistischer, anpassungsfähiger, wendiger, sondern im Gegenteil
radikaler, konsequenter, konzessionsloser!
Obwohl die Einstellung der
WBl seit langem geplant und angekündigt war, ist es nicht gelungen, sie
organisch abzuschließen. Viele zu den letzten Heften aufgebrochene Fragen
bleiben unbeantwortet.
Das betrifft sowohl die
Diskussion zu Rosemarie Müller-Streisands Kritik an Peter Franz, als
auch die Antwort, die sie Hans Heinz Holz auf den ihr gewidmeten
Aufsatz „Gott und Welt. Karl Barth und die Dialektik der christlichen
Philosophie“ schuldet. Indirekt freilich hat Hanfried Müller in seinem
„sehr persönlichen Rückblick“ zumindest die Richtung solcher Antwort
angedeutet: Es geht uns nicht um eine „Gott und Welt“ umspannende
„christliche Philosophie“, sondern um etwas ganz anderes, nämlich um die
Unterscheidung zwischen Glauben aufs Wort Jesu Christi und der Anschauung
der Welt samt dem für Religiöse zur Welt gehörigen Gott. So sind wir
eigentlich „Christologen“, und nur insofern „Theologen“, als
wir ausdrücken, inwiefern Christus für uns an die Stelle getreten ist, an
der für andere „ihr Gott“ steht. Daraus ergibt sich auch der
unterschiedliche Ansatz in der Kontroverse mit Peter Franz: Für uns nämlich
ist Jesus Christus so wesentlich „Mein Herr und mein Gott“, daß wir ihm -
der sich gewiß in seiner Kondeszendenz zu unserem Bruder gemacht hat - nur
glauben können, indem wir ihn als unseren Herrn erkennen. Er ist nicht
im banalen Sinne „unseresgleichen“, sondern zwar „in allem gleich wie
wir“, aber „ohne Sünde“! Wir jedoch sind - nicht unter anderem
auch, sondern wesentlich - Sünder!
Undiskutiert muß auch Matin
Barakis Theorie und Praxis der nationaldemokratischen Revolution am
Beispiel Afghanistans bleiben. Gegen diesen Aufsatz erhob ein Kenner der
afghanischen Revolution heftig Protest. Ob und inwiefern dieser Einspruch
berechtigt ist, können wir mangels fundierter Kenntnisse nicht selbst
beurteilen. Aber es schien uns unpassend, durch einen Abdruck seiner Einwände
gegen Baraki eine Diskussion zu beginnen, die in den WBl nicht mehr
abgeschlossen werden könnte.
An den Anfang auch dieses
Heftes stellen wir - wie so oft in den 25 Jahren, in denen die WBl erschienen
- eine Predigt: Unterwerft euch nicht mehr! (zu Kol. 2, 9-5), diesmal
von Dieter Frielinghaus.
Dann geben wir HANFRIED MÜLLER
das Wort zu einem Rückblick und Ausblick: „Zur Spezifik der Weißenseer
Blätter. Stimme ans der Kirche während der konterrevolutionären Krise. Ein
sehr persönliches Nachwort“. Wir hoffen auf Verständnis unserer Leser
dafür, daß es so ausführlich, vielen vielleicht allzu ausführlich,
ausgefallen ist.
Wollte man die beiden
folgenden Beiträge unter einem Stichwort zusammenfassen, könnte man dafür
das Modewort ..Globalisierung" wählen. Es dient demagogischer
Meinungsmanipulation: die meisten Übel, soll man dabei denken, ergäben sich
unausweichlich aus der „Globalisierung" (und das ist nicht falsch!),
und darum seien sie schicksalhaft unabänderlich, wird dann gefolgert (und das
ist Unsinn!). Wie so oft beruht die Demagogie auch hier darauf, auf Grund
offenkundig richtiger Beobachtungen falsche Folgerungen zu suggerieren.
Daß die Bourgeoisie ihre
Eigentums- und Ausbeutungsverhältnisse und damit ihre Macht
„globalisiert", kann man schon im Kommunistischen Manifest nachlesen:
„Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarkts die Produktion
und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet." ElKE KOPF hat das
in seinem Beitrag zum „l. Forum der Weltpolitisch-Ökonomischen Gesellschaft
zum Thema Ökonomische Globalisierung und moderne marxistische Ökonomie"
an der Universität für Finanzen und Ökonomie zu Shanghai/China, vom 2.- 3.
April 2006 gründlich gezeigt: Friedrich Engels und Karl Marx über den
Weltmarkt. Wir veröffentlichen dies Referat mit freundlicher Genehmigung des
Autors und haben es, um den aktuellen Bezug zu unterstreichen,
„Globalisierung" überschrieben und ihm das obige Zitat aus dem
Kommunistischen Manifest vorangestellt.
Welch falsche Schlußfolgerungen
sich daraus ergeben können, wenn man die gegenwärtigen Erscheinungen dieser
- nunmehr noch allgemeineren und imperialistischeren - „Globalisierung"
als etwas ganz Neues versteht statt als Eskalation dessen, was im Kapitalismus
als solchem angelegt ist, zeigt hans KÖLSCH in seiner Polemik gegen Leo
Mayer: Vermutlich nicht' Die Legende vom transnationalen Klassenfeind.
Da findet man dann auf einmal den Feind nicht mehr „im eigenen Land",
und das Ergebnis ist fast das gleiche wie bei den .„Antideutschen" mit
ihrem Mißverständnis: der Feind sei das eigene Land, und also sei der
internationale Klassenkampf nicht mehr politisch im eigenen Land, im eigenen
Staat, gegen die in der eigenen Nation herrschende Bougeoisie zu führen,
sondern nur noch unmittelbar ökonomisch gegen die „transnationalen
Konzerne".
Dieser Kampf kann sich in
vielen Formen und um viele Themen abspielen. Auch der Kampf gegen Die
Kriminalisierung der westdeutschen Friedensbewegung im Düsseldorfer Prozeß
1959/60 war ein solcher Kampf. Die Dokumente dazu hat Friedrich-Martin
Balzer herausgegeben, und Heinrich Hannover hat diese Dokumentation
eingeleitet: Justizunrecht im kalten Krieg. Unter dem gleichen Titel bespricht
ERICH BUCHHOL sie für die WB1.
Wir schließen dieses Heft
mit dem letzten Teil von ERICH BUCHHOLZ` Würdigung des Potsdamer Abkommens.
Wir hoffen, daß unsere
Leser, auch wenn die WB1 sie nicht mehr dabei begleiten, den Feind nicht aus
den Augen verlieren, ihm, wo immer sie ihm begegnen, entschlossen und besonnen
widerstehen und, wie gewissenlos sich auch die perspektivlose Konterrevolution
austobt, solidarisch mit allen revolutionären Bewegungen wo immer in der
Welt, niemals resignieren.
Ausdrücklich weisen wir
alle, die auch weiterhin den WB1 Interesse entgegenbringen, auf die
Information „Weitere Perspektiven" und die Fragen an unsere Leser auf
der letzten Umschlagsseite hin. - Das Jahresinhaltsverzeichnis zum Jahrgang
2006 findet sich auf S.65.