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Dieter Frielinghaus Rede anlässlich der Beisetzung von Hanfried
Müller
12.März 2009, Friedrichsfelde 2.Kor.4,5: Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesum
Christum, daß er sei der Herr, wir aber eure Knechte um Jesu willen. Wollten wir hier in dieser Stunde uns selbst predigen, hätten wir
zu sagen: Der Vater ist nicht mehr da und der Großvater, und nicht der
jahrzehntelange Gefährte im Leben und in der Arbeit, und nicht der Lehrer und
Freund, der vielen die Epoche deuten und Hoffnung machen konnte. Wir müßten
sagen, wie bedrückt wir :sind. Aber wir haben Jesum Christum zu predigen, daß er sei der Herr -
er, nicht der Tod. Der Apostel Paulus meint aber an dieser Stelle mit dem
Sich-selber-Predigen die Selbstgefälligkeit, die predigt, was wir selber religiös
meinen und wollen, um zu herrschen. Nein, sagt Paulus, wir predigen Christum,
dass wir herrsche über uns, daß er sage, was und wen wir predigen: ihn selber,
den Gekreuzigten und Auferweckten, ihn in Gottes Klarheit und hellem Lichte, das
Reich Gottes und er der Herr für uns, wir aber seine Diener. Paulus sagt
sogleich: Um seinetwillen sind wir eure Diener. Es ist aber ein Wort im geistlichen Kampf. Paulus hat zu tun mit
denen, die sich selbst predigen, und sieht, wie gut das der Gemeinde gefällt.
Sie bekennen den Herrn mit. den Lippen, mit der Tat verwerfen sie ihn. Wir, sagt
Paulus, wir streiten gegen sie und, so wahr er uns helfe, lieben sie als ihre
Diener. Denn im Glauben sehen wir die Klarheit des Herrn um seine Feinde, die
auch wir selber waren und noch wieder sind. Er aber ist nicht gekommen, daß er
sich dienen lasse, sondern daß er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung
für viele (Matth.20,28). Ich spreche schon längst von Hanfried Müllers Werk, seinem
theologischen Werk aus seinem Bekenntnis zu Christus und als Dienst an der
Kirche auch und gerade da, wo er sie angreift, Seinem beruflichen Auftrag nach bildete er
ihre Prediger aus. Er erzieht die angehenden Theologen vom ersten Wort an und
mit jedem Wort in der Dialektik von Gnade und Gericht, von Tod und Leben. Er
nimmt sie in die ernsten Fragen und befreienden Antworten biblischer und
reformatorischer Theologie. In seiner Freundlichkeit macht er es ihnen einfach,
er lehrt und schreibt Dogmatik als Katechismus. Aber in langer Einleitung wägt
er hin und her, ob er es nicht doch ganz anders hätte machen sollen. Im
dialektischen Denken und Reden bis ins Persönlichste ist er einzigartig unter
den Theologen seiner Generation. Darin wird er fortwirken. Es hat ihm nächst
seinem Antifaschismus natürlich auch den Zugang zum Marxismus bereitet. Darin nun kennen die meisten von uns ihn viel besser, das sehen
Freund und Feind als das Besondere seines Lebens und Werkes an: die Parteinahme
des Theologen für den Sozialismus. Sie ist nicht ein irgendwie hinzugekommenes
anderes. Sie kommt aus seinem Gehorsam gegenüber dem Evangelium. Indes -
Hanfried Müller besteht auf peinlichster Unterscheidung -predigt er sie nicht
als Evangelium. Das Evangelium verkündet das Reich Gottes und befreit
verpflichtend zum Dienst an Gläubigen und Ungläubigen. Im Reich der Welt aber
sind die Menschen für Recht und Frieden verantwortlich. Dazu verfügen sie über
Wissen, Können, Verstand, Vernunft, Erfahrung und die Kraft zum Kampf um die
Wahrheit. Die Christen haben selbstverständlich keine anderen Gaben dafür. Sie
können sich nur zusammen mit den anderen Menschen an der gerechten Anwendung
der Vernunft und an der Suche nach dem rechten Wege beteiligen. Darum haben sie
- und niemand hat das so verfochten wie Hanfried Müller - keine
Gesellschaftsform religiös zu begründen. Wer das will, mag es gut meinen, er
beansprucht blasphemisch, daß seine Gedanken und Werke die Werke Gottes seien,
und erhebt sich über die anderen Menschen. Die dem Sozialismus religiöse Weihe
geben wollten - wo sind sie heute? Der Glaube soll und will die Menschen alle ehren und lieben, hier
auf der Erde und ohne Bedingung, wo und wie Christus selber es getan hat. Das
verlangt ganzen Gehorsam mit aller Disziplin, Hingabe und der Solidarität, die
weiß: Die Notwendigkeit der anderen ist meine eigene. Hanfried Müller zitiert
Dietrich Bonhoeffer: "...nur wenn man das Leben und die Erde so liebt, daß
mit ihr alles verloren und zu Ende zu sein scheint, darf man an die Auferstehung
der Toten und eine Heue Welt glauben." So ist der Sozialismus auch für Hanfried Müller einfach das für
Leben und Frieden der Menschen Mögliche, das Richtigste und das Freundlichste.
Der Christ, der meint es besser zu wissen, mühe sich also wirksamer und,
leidenschaftlicher um das Leben der Menschen auf Erden, daß sie alle zu essen
haben und die Armen und Verfolgten endlich Gerechtigkeit finden. Seiner Kirche sagte der Synodale Hanfried Müller: Wir haben die
Freiheit, aber nicht zur Selbsterhaltung, und wir verrichten den Dienst nicht
nach eigenem Belieben. Er sagte: Wir haben die Freiheit zum Dienen. Wehre uns,
wenn nicht! Die Kirche hat nicht gehört. Als die Miederlage des Sozialismus sich abzeichnete und dann
vorerst vollzog, hat er auch die Gesellschaft gewarnt. Schließlich hat er ohne
Zögern und Schwanken mit lauter Stimme die Konterrevolution Konterrevolution
genannt. Er wirkte, so gut es ging, mit Freunden und anderen im Weißenseer
Arbeitskreis, der mit ihm das Wort von der Freiheit der Kirche zum Dienen
gesprochen hat, und er erhielt bis vor kurzem die Weißenseer Blätter am Leben.
Mit ihnen vollzog er seine Solidarität und wachsende Freundschaft mit
Marxisten, die es blieben. Zunächst hat gerade er einige von ihnen davon überzeugt,
es zu bleiben. In den Weißenseer Blättern hat er ihnen jahrelang ein Forum
gegeben. Sein eigenes Reden und Schreiben war streng mit einem Unterton von
Vergnügtheit. Es hat, schrieb mir eine Literatin, "nicht nur meinen Geist,
sondern auch mein Herz erfreut“. Sein Wirken ging lebenslang zusammen mit Rosemarie Streisand. Wenn
er in persönlichen Darlegungen "wir" schreibt, meint er mancherlei
Gefährten, sie aber immer. Eine grundsätzliche Arbeit über den theologischen und
gesellschaftlichen Weg der beiden ist nicht mehr fertig geworden. Es ist ja auch
kein fertiger Weg. Das hat ihn bedrückt. Aber er ist trotz langer Qual als
freier und vornehmer Mensch aus diesem Leben gegangen. Er hat unseren Dank. Den hat er auch in höchstem Maße verdient.
Vor Christus, dem Herrn, den er bezeugt hat, hat er nichts verdient. Das ist
sein unabdingbarer Glaube, wie er allen Christen klar sein sollte. Aber er hat
von ihm alles empfangen: daß er sei der Herr am Kreuz, im Licht, im Leben, im
Reich Gottes, in der Gemeinschaft mit den Menschen. |
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